UMIDIGI CRYSTAL – ein netter Versuch
Eines muss man Umidigi lassen: In der Werbung sieht das Umidigi Crystal fast unwiderstehlich gut aus. Ein wundervolles Design, ein Display, das an drei Seiten praktisch randlos in das hochwertige Gehäuse eingepasst ist, mit einer Technik ausgestattet, die auf dem Papier zur gehobenen Mittelklasse gezählt werden kann – und das zu einem unglaublich tiefen Preis. Was hier für nicht einmal 110 Franken geboten wird, verspricht ein wirklich gutes Smartphone zu sein.
Und tatsächlich, wenn das Gerät in der Hand gehalten wird, kommt man aus der Verwunderung kaum heraus: Die Verarbeitung ist tadellos, überhaupt lässt sich auf den ersten Blick kaum etwas bemängeln. Freilich, die Glasrückseite ist ein Fingerabruckmagnet, aber das ist der Preis für ein schönes Design. Das Gerät sieht zwar fragil aus, ist aber mit Gorilla Glass 4 geschützt. Wer dem nicht so richtig traut, kann die gratis beiliegende durchsichtige Plastikschutzhülle benutzen. Der sich auf der Rückseite befindende Fingerprint-Scanner ist kaum ertastbar, dennoch findet man ihn nach kurzer Eingewöhnung blind. Zumal man mit dem Finger über das Gehäuse streichen kann, bis man die Umrandung des Scanners gefunden hat – es ist nicht nötig, ihn auf die erste Berührung des Gehäuses zu treffen. Weiter fällt die 13-Megapixel-Doppelkamera mit LED-Blitz auf, die auch für einen wenngleich wenig flexiblen Bokeh-Effekt benutzt werden kann. Einziger Wehrmutstropfen: Damit das Display bis an den oberen Rand des Gehäuses gehen kann, befindet sich die 5-Megapixel-Selfiekamera etwas unpraktisch am unteren Rand des Gehäuses.
Nach der Einrichtung des weitgehend ohne Bloatware ausgestatteten Android 7.0-Systems kann man gleich loslegen. Was schon bald auffällt: Ganz ohne Ruckler geht die Bedienung nicht vonstatten. Hier zeigt der günstige Preis einen ersten Kompromiss: Der bei der hier getesteten Variante mit 2 GB RAM und einem integrierten Speicher von 16 GB verwendete Quadcore-Prozessor MTK6737T von Mediatek mit der MALI-T720-Grafikeinheit hat Luft nach oben. Wer allerdings keine allzu hohen Ansprüche hat, der wird mit diesem Manko leben können.
Mühsamer ist ein kleiner Konstruktionsfehler mit Auswirkungen auf den Alltag: Der Näherungssensor ist statt auf der Vorderseite an der Oberseite des Geräts positioniert. Das führt dazu, dass während des Telefonierens immer wieder das Display angeht, weil das Gerät nicht merkt, dass es sich am Ohr des Benutzers befindet. Was ärgerlich ist, da ebendieses Ohr dann ungewollte Eingaben am Display auslöst, was schlimmstenfalls zum Unterbruch des Telefonats führen kann. Der einzige Ausweg ist, während des Telefonierens das Display mit dem Ein-/Ausschalter manuell abzuschalten. Etwas, an das man sich gewöhnen kann – etwas mühsam ist diese Behelfslösung aber schon. Die Gesprächsqualität kann immerhin als laut und deutlich bezeichnet werden, sowohl auf Seite des Anrufers als auch auf Seite des Angerufenen.
Demgegenüber weist die Kamera gewichtige Schwächen auf: Trotz 13-Megapixel-Kamera lässt die Schärfe der Bilder zu wünschen übrig. Zu Verwaschen sind die Details, um am Ergebnis auch nur einen Teil dieser hohen Megapixel-Zahl vermuten zu lassen. Ansonsten können für diese Preisklasse dennoch akzeptable Ergebnisse erzielt werden, auch wenn für höhere Ansprüche eine separate Kamera ein Muss ist. Kaum akzeptabel ist allerdings, dass Filmaufnahmen sehr ruckeln – bei einer solch niedrigen Framerate muss von der Aufnahme bewegter Motive abgeraten werden, zu schwach ist das Ergebnis. Wer regelmässig Filme aufnimmt, sollte vom Umidigi Crystal Abstand halten.
Wird die Satellitennavigation benötigt, merkt man bald ein weiteres Manko des Umidigi Crystal: Sowohl Schnelligkeit der ersten Positionsbestimmung als auch die Genauigkeit lassen sehr zu wünschen übrig. Häufig wird zunächst eine völlig falsche Position angezeigt, und bis eine brauchbar genaue Position verfügbar ist, dauert es unannehmlich lange. Sowas sollte in der heutigen Zeit eine völlig andere Qualität aufweisen.
Wird über eine längere Zeit mit dem Gerät gearbeitet, kann auch ein weiterer ärgerlicher Fehler auftauchen: Unvermittelt stürzt das System ab und bootet sich neu. Fatalerweise stürzt das System anschliessend immer wieder nach nur wenigen Sekunden erneut ab – man ist in einer Schlaufe gefangen, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt. Bei unserem Gerät half glücklicherweise, in den paar Sekunden der Benutzbarkeit zwischen den Abstürzen an den Einstellungen des Google-Kontos Änderungen durchzuführen: Wenn wir beispielsweise manuell eine Synchronisation des Kontos angestossen haben, konnte ein erneuter Absturz verhindert werden. Auch wenn dieser kuriose Fehler nur sehr selten auftritt: So etwas darf nicht passieren, zumal weniger versierten Benutzern sonst nur ein Hardreset mit Löschung sämtlicher Daten hilft.
Was uns zu einem weiteren Manko führt: Nach ein paar wenigen kleineren Updates ist die Weiterentwicklung des Systems offenbar bereits gestoppt worden. Der Patchlevel ist jedenfalls hoffnungslos veraltet, das Warten auf ein Update auf eine neuere Android-Version als 7.0 scheint vergebene Liebesmüh zu sein. Hier teilt das Umidigi Crystal offenbar das Schicksal der meisten billigen Smartphones: Schon kurz nach Veröffentlichung werden sämtliche Arbeiten am System eingestellt. Wer also sicherheitsrelevante Aufgaben wie z.B. Banküberweisungen mit seinem Smartphone tätigen möchte, der sollte lieber etwas mehr ausgeben und sich für ein Konkurrenzgerät entscheiden.
Das alles führt zum Gesamturteil, dass das Umidigi Crystal zwar ein äusserst schönes Gerät ist, das für einfache Alltagsaufgaben mit kleineren Einschränkungen auch durchaus geeignet ist. Wer aber etwas höhere Ansprüche an Kamera, Navigation oder Sicherheit des Betriebssystems legt, dem kann das Umidigi Crystal nicht empfohlen werden – zu schwerwiegend sind die Mängel dieses Geräts.
Daran zeigt sich das Problem vieler Geräte der kleineren oder auch mittelgrossen Herstellern: Auch wenn das Gerät im Ansatz noch so vielversprechend wirkt, in den Details finden sich immer wieder eklatante Mängel. Die Entwicklung eines Smartphones ist eben doch ein sehr anspruchsvoller Prozess. Hier sind die potenten grossen Hersteller von Vorteil, welche über das notwendige Know-How verfügen, für jedes Detail eine akzeptable Umsetzung zu finden. Umidigi zählt trotz seiner langjährigen Erfahrung leider nicht zu diesem Kreis von Herstellern. Somit kann abschliessend zusammengefasst werden: Das Umidigi Crystal ist ein netter Versuch – aber mehr leider nicht.