QUO VADIS, APPLE – oder: Wie wird, was niemals sein durfte
In der Quo vadis?-Reihe wird die Geschäftsstrategie der Giganten der Tech-Welt kritisch analysiert. Nach Microsoft und vor Google werden diesmal die bestehenden und die potenziellen Fehlentwicklungen von Apple beleuchtet: Thema ist, wie sich Apple die Zukunft des Computing vorstellt, und weshalb es damit auf einen Irrweg gelangt ist.
Der Mac – ständig gepriesen und doch vernachlässigt
Es war eine unscheinbare und dennoch eine der wichtigsten Neuigkeiten der Entwicklerkonferenz WWDC 2018: Apple portiert das iOS-Framekit auf macOS. Damit soll möglich werden, bestehende iPhone- und iPad-Apps mit verhältnismässig geringem Aufwand auf Apples Desktop-Betriebssystem laufen zu lassen. Was vorderhand wie eine gute Sache tönt, ist jedoch vielmehr Ausdruck der eklatanten Strategielosigkeit Apples, was die Mac-Sparte angeht: Seit Jahren gibt es nur noch sporadisch Updates der Mac-Hardware, einzelne Produktelinien gibt es nur noch als hoffnungslos veraltete Geräte. Und wenn mal doch ein Gerät aktualisiert wird, kann man ziemlich sicher sein, dass es über Jahre hinweg kein neuerliches Update mehr geben wird. Es ist offensichtlich: Apple vernachlässigt den Mac.
Aber auch dessen Betriebssystem, macOS, wartet nur noch mit geringfügigen Verbesserungen auf. Das Schwergewicht liegt eindeutig auf dem iPhone sowie dem iPad, und damit auf iOS. Da passt es auf «magische Weise» ins Bild, dass iOS-Apps leicht auf macOS konvertiert werden können: Die Entwickler sollen sich auf iOS-Apps konzentrieren, die macOS-Version kann nurmehr ein Nebenprodukt sein.
Wenn die Konkurrenz weiter denkt
Doch wieso diese Strategie? Sollten nicht eher die viel ausgereifteren und meist komplexeren macOS-Apps auf das iPad portiert werden können – oder noch besser, die Grenze zwischen Desktop- und Mobilgerät ganz aufgehoben werden? Microsoft hat es vorgemacht: Ein Windows und eine App für alle Geräteklassen – egal, ob Desktop, Tablet oder Smartphone. Letztere Sparte hat Microsoft leider aufgegeben, jedoch scheint es, dass Geräte eines neuen Formfaktors in Entwicklung sind, die dieses Prinzip auf die Spitze treiben: Die Gerüchte gehen von einem faltbaren, Notizbuch-ähnlichen Gerät aus, das zusammengeklappt die Grösse eines Smartphones hätte und ausgeklappt die eines Tablets. Mittels Continuum, das in Form der Composable Shell weiterentwickelt wird, würde ein solches Gerät zu einem vollwertigen Desktop-Ersatz, sobald es an ein externes Display angeschlossen wird. Dann verwandelt sich die Arbeitsumgebung in ein Windows wie von Laptop oder Desktop-PC gewohnt. Und auch die Apps passen ihr Layout automatisch an die jeweilige Arbeitsumgebung an, genau wie heute schon Webseiten, die automatisch vom Smartphone- auf das Desktop-Layout wechseln können. Ist nicht das die Zukunft?
Keine Strategie, nur Trotz
Nein, sagt Apple, und trotzt damit hartnäckig dem Tatbeweis der Windows-Welt, dass z.B. Notebooks mit der Möglichkeit von Touch-Eingaben sehr wohl einen Komfortgewinn bedeuten. Apple sagt, Desktop- und Mobilgeräte würden für verschiedene Zwecke gebraucht, deshalb bedürfe es auch klar abgegrenzte Bedienungskonzepte. Was freilich niemand abstreitet, schliesslich ist das ja der Sinn von «Responsive Apps», also der sich an die jeweilige Arbeitsumgebung adaptierenden Apps. Die Position von Apple dient eher als Legitimation dafür, dass Apple eben nichts in der Hand hält, was einen Zusammenschluss der Desktop- und der Mobilwelt ermöglichen würde.
Stattdessen wurstelt Apple weiter an drei verschiedenen Geräteklassen: Dem seit 10 Jahren im Wesentlichen unveränderten iPhone. Dem ebenso wenig veränderten macOS (erstmals im Jahr 2000 unter dem wohlklingenden Namen Mac OS X veröffentlicht). Und dem iPad – welches das Dilemma von Apple in seiner ganzen Dimension eröffnet.
Das iPad, ein unvollendetes Gerät
Auf den Markt gebracht mit nicht weniger als dem Anspruch, den Desktop-PC überflüssig zu machen – die folgenden Jahre zeigten aber die Grenzen des Konzepts von Tablets: Gut für den Konsum von Medien, aber für anspruchsvolle Arbeiten schlichtwegs nicht praktikabel. Dementsprechend stagnierten, ja fielen die Verkaufszahlen sogar.
Derweil hat Erzrivale Microsoft mit dem Surface-Konzept vorgeführt, wie die Welt von Desktop und Tablet zusammengeführt werden kann: Mit angeklipptem Keyboard ein vollwertiges Notebook, das für ausnahmslos alles verwendet werden kann, das mit einem Notebook erledigt wird. Und ohne Tastatur ein Tablet – ohne viele Tablet-optimierte Apps zwar, doch genügend für das, wofür ein Tablet vornehmlich gebraucht wird, nämlich das Konsumieren von Inhalten. Bald schon übernahmen die anderen Hardware-Hersteller dieses Konzept, sodass heute praktisch jeder der Grossen mehrere Geräte dieser Klasse anbietet.
Apple drohte demgegenüber in Rückstand zu geraten, denn obwohl Dritthersteller für das iPad z.B. externe Tastaturen anboten, als Arbeitsgerät wurde das iPad ausserhalb von spezialisierten Branchen nicht wirklich ernst genommen.
Das iPad Pro, ein Arbeitsgerät an Krücken
Die Wende kam erst mit der Veröffentlichung des iPad Pro – auf den ersten Blick eine Kopie des Surface-Konzepts. Doch es gibt zwei wesentliche Unterschiede, und die sind enorm: Erstens beherrscht das Surface-Konzept neben der Toucheingabe auch die Maus- und Trackpad-Unterstützung, was das Arbeiten wesentlich bequemer gestaltet als es das iPad Pro mit seiner Touch-only-Bedienung kann.
Der zweite Unterschied ist ein noch wesentlich wichtigerer: Das Surface ist auch ein vollwertiger Windows-Rechner. Das iPad beherrscht nur iOS. Da Apple kein universelles Betriebssystem anbietet, hat es dafür iOS aufgebohrt: Mit immer mehr Möglichkeiten nähert Apple sein Mobil-OS an die Möglichkeiten eines Desktop-Betriebssystem heran. Somit wird versucht, das iPad in seiner Pro-Version immer mehr zu dem zu machen, was das iPad als reines Tablet trotz aller Versprechungen nicht geschafft hat, nämlich zu einem Desktop-Ersatz.
Dass damit iOS langsam aber sicher zu eben dem wird, was Apple so vehement ablehnt – einem Betriebssystem für beide Welten, die mobile wie auch die des Desktops – wird von Apple unter den Teppich gekehrt. Noch ist es freilich nicht soweit, und so ist das iOS von heute immer noch ein kastriertes System: Keine Mausunterstützung, keine Möglichkeit, das iPad an ein grosses, externes Display anzuschliessen und es mit einer grösseren Arbeitsfläche zu nutzen, keine Unterstützung von Fensterns, keine Möglichkeit von mehreren Benutzern auf einem Gerät, keine universelle Unterstützung von Peripheriegeräten und und und.
Warum ein limitiertes System als «zukunftstaugliche Lösung»?
Dennoch konzentriert Apple seine Entwicklungsressourcen zu einem Löwenteil in iOS. Weshalb? Weil es für Apple auch eine Sache des Prestige ist. Das iPad sollte die Welt des Computing revolutionieren, hat es aber nicht. Viel zu viel wurde in das eigentliche Nischengeschäft der Tablets investiert, zu sehr die Entwicklung der Mac-Sparte vernachlässigt. Es hätte einen Punkt gegeben, an dem Apple einen Kurswechsel machen konnte, doch der wurde verpasst. Nun kann Apple gar nicht anders, als alles auf die Karte iOS zu setzen.
Deshalb auch die an der WWDC angekündigten Möglichkeiten, iOS-Apps auf macOS zu portieren: Der Sinn davon ist nicht, Smartphone-Spiele oder Apps von Hobby-Programmierern auf den Mac zu bringen. Das Ziel von Apple ist es, iOS weiter zu einem Profi-Betriebssystem umzugestalten, wozu auch mehr (Profi-)Apps benötigt werden. Deshalb sollen sich auch die Entwickler auf iOS konzentrieren. Die Mac-Version ihrer Apps kann anschliessend quasi als Nebenprodukt nachgereicht werden.
Der Mac als Opfer
Was das für den Mac bedeutet? Er wird mehr und mehr ein randständiges Dasein fristen. Sicher, es werden auch weiterhin ab und zu neue Geräte vorgestellt werden, die zu dem Zeitpunkt Apple-typisch das Feinste vom Feinen darstellen werden. Dabei wird es dann aber auch bleiben. Den Rest der Zeit wird ein zu grosser Teil der angebotenen Geräte veraltet sein und auf ihr sporadisches Update warten, so wie der sündhaft teure Mac Pro oder der dazumals bei den Kunden noch beliebte Mac Mini. Das ist Schade, denn die Macs waren einmal das, was Apple ausgemacht hat.
Es hätte auch anders kommen können. Wenn der Mac und das iPad zu einem einzigen, unviersellen Gerät zusammengeführt worden wären. Doch das durfte für Apple eben partout nicht sein.